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Walter Füllbrandt

Prof. Walter Füllbrandt (* 1. Februar 1930 in Weener; † 17. Januar 2024 in Hamburg) war nach seinem Studium der Theologie am internationalen Seminar in Rüschlikon Pastor in den Gemeinden Dortmund/Feldherrnstraße (1956-61) und Hamburg/Grindelallee (1961-64) und von 1964 bis 1995 visionärer und tatkräftiger Direktor des Albertinen Diakoniewerkes in Hamburg, der die Entwicklung des Diakoniewerkes nachhaltig geprägt hat. 1995 wurde er vom Hamburger Senat zum Professor ehrenhalber ernannt für seine Verdienste im Hamburger Gesundheitswesen.

Leben

walter_fuellbrandt-2.jpgWalter Füllbrandt wuchs als Sohn des Predigers Emil Füllbrandt in Eilenburg und Pforzheim auf, wo er 1949 das Abitur ablegte. Anschließend studierte er am neugegründeten Internationalen Baptistischen Theologischen Seminar in Rüschlikon. Er blieb als wissenschaftlicher Assistent am Seminar (beim Präsidenten Josef Nordenhaug) und studierte acht Semester weiter an der Universität Zürich. 1956 begann er seinen Gemeindedienst in Dortmund. 1961 wechselte er in die Gemeinde Hamburg, Grindelallee. Auf Wunsch von Hans Fehr wurde Füllbrandt 1964 dessen Nachfolger als Direktor des Albertinen-Diakoniewerkes Hamburg. Seinen ursprünglichen Plan einer Promotion zum lukanischen Werk beim Neutestamentler Eduard Schweizer in Zürich, die schon fortgeschritten war, musste er endgültig aufgeben.

Ein Jahr noch arbeitete er mit Hans Fehr in der Leitung zusammen. Es gelang ihm, sich schnell in die komplizierte Materie des Gesundheitswesens einzuarbeiten. Durch sein unerschrockenes Auftreten erwarb er sich die Achtung der Krankenkassenverbände und Behörden. 1971 wurde er zum Vorsitzenden des Verbandes der freigemeinnützigen Krankenhäuser in Hamburg e.V. gewählt. Auch den Vorsitz der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft hatte er viele Jahre inne. Unter seiner Leitung und mit der ihm eigenen Energie und Weitsicht wurde das Albertinen-Krankenhaus u.a. durch Verdoppelung der Bettenzahl (über 400) erweitert und mit eigenem Betriebskindergarten ausgestattet. Als geistliche Leitung des Werkes übernahm er Morgenandachten, Gottesdienstgestaltung, Bibelstunden sowie „Berufsstunden“ und Rüstzeiten der Schwestern. Er förderte das Entstehen und Selbständigwerden der Gemeinde Hamburg-Schnelsen (1973), die bis dahin Zweiggemeinde der „Grindelallee“ war. Seine Idee war es, zusammen mit dem Diakoniewerk ein Gemeindezentrum zu errichten („Kirche am Krankenhaus“), dessen künstlerische Gestaltung er erheblich beeinflusste.

Neue Wege beschritt er in der Mutterhausdiakonie. Er hat die theologischen und organisatorischen Fragen durchdacht und neue Lebensformen gewagt. Nach vielen Gesprächen wurde die Umwandlung in ein modernes Diakoniewerk beschlossen und das „Albertinen-Diakoniewerk e.V.“ entstand. Jetzt konnten auch Verheiratete und Männer Mitglieder werden und die ehemaligen Diakonissen bekamen, wenn sie wollten, volles Gehalt, legten ihre Tracht ab und durften heiraten, was einige auch taten. Andere blieben aber bei der alten Lebensform in Tracht und auf Taschengeldbasis.

Neue Wege beschritt Walter Füllbrandt auch bei der Planung des Altenzentrums „Albertinen-Haus“. 1980 entstand eine Altenwohnanlage mit einer geriatrischen Klinik und integrierter Pflegeabteilung. Für diese Modelleinrichtung der Altenpflege, die bundesweit bekannt und anerkannt wurde, gewann er den Schweizer Arzt Hans-Peter Meier-Baumgartner. Die Etablierung der Herzchirurgie 1991 machte das Albertinen-Krankenhaus in immer größeren Kreisen bekannt.

Im Bund arbeitete er mit als Verhandlungsleiter auf den jährlichen Bundeskonferenzen („Bundesrat“). Seit er auf der Bundeskonferenz 1965 in Hamburg ein Referat hielt (neben Eduard Schütz), in dem er seine positive Stellung zur Theologie und zur Ökumene zeigte, blieb sein Verhältnis zum Bund ambivalent. Er wurde Vertreter der Freikirchen beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) und war zehn Jahre Sprecher des „Wortes zum Sonntag“. Seine liberale Auffassung beim Thema Schriftverständnis, das die historisch-kritische Methode bejahte, bekannte er offen und hielt doch an einer klaren und einfachen Frömmigkeit fest. Im Zeitzeugeninterview von 2009 sagte er, im kritischen Studium habe sich sein Glaube gefestigt.

Als Leiter des Albertinen-Diakoniewerkes sorgte er für stetige Erweiterung des Werkes, für beständige Fortbildung und Förderung der über tausend Beschäftigten, für die Öffentlichkeitsarbeit und vor allem für die Krankenhausseelsorge. Dass aus kleinen Anfängen das Albertinen-Diakoniewerk entstand, das in Hamburg und darüber hinaus einen besonderen Ruf genießt, führte Walter Füllbrandt auf das Vertrauen und die engagierte Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern, Trägerverein und Geschäftsführung zurück. 1995 ging er in den Ruhestand, blieb aber als Vorsitzender des Kuratoriums und danach als Ehrenkurator dem Werk verbunden.

Walter Füllbrandt galt als freundliche, den Menschen zugewandte Persönlichkeit, die trotz manchen schweren Zeiten viel Lebensfreude und große Zuversicht ausstrahlte. Er war verheiratet mit Dorothea und hatte mit ihr zwei Kinder.

„Walter Füllbrandt verband auf seltene Weise eine hohe theologische Begabung als Pastor mit einem visionären Unternehmergeist und politischem Geschick, was ihn auch vor mutigen Entscheidungen nicht zurückschrecken ließ. Er war zugleich eine Persönlichkeit voller Empathie, hatte immer ein offenes Ohr für die Belange der Mitarbeitenden und war vielen Menschen bis zuletzt ein wichtiger Ratgeber“ (aus dem Nachruf der Immanuel-Albertinen-Diakonie). „Sein Anspruch, unseren diakonischen Auftrag mit Leben zu füllen, um dem Nächsten das zu tun, was wir auch selbst empfangen möchten, bleibt sein Vermächtnis an uns“ (Matthias Scheller, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Immanuel Albertinen Diakonie). (Roland Fleischer nach dem Zeitzeugeninterview von 2009, nach dem Bericht von Harold Eisenblätter, 1989, dem Nachruf der Immanuel Albertinen Diakonie sowie ergänzt von Dr. Stefan Stiegler)

Nachruf in: Die Gemeinde 3/2024, S. 28.

Harold Eisenblätter, Grenzen überschreiten (über Walter Füllbrandt), in: Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 34-45.

Neue Wege: Walter Füllbrandt, in: Auf klarem Kurs. 100 Jahre. Vom Diakonissenverein Siloah zur Albertinengruppe, Ahnatal 2007, S. 102-111 (Text: Frank Fornaçon).

immanuelalbertinen.de: Trauer um Professor Pastor Walter Füllbrandt: https://immanuelalbertinen.de/aktuelles/presse/pressemitteilung/trauer-um-professor-pastor-walter-fuellbrandt/

Quellen

Archiv Albertinen-Diakoniewerk Hamburg.

Gedanken, Notizen und Thesen zur Neuorientierung der Evangelisch-Freikirchlichen Mutterhausdiakonie bezogen auf die besondere Situation des Albertinen-Hauses, Hamburg 1967 (Archiv Albertinen-Diakoniewerk Hamburg).

Albertinen-Haus, Verband für Evangelische Diakonie und Krankenanstalten e.V., Hamburg-Schnelsen o.J. (Archiv Albertinen-Diakoniewerk Hamburg).

Zeitzeugen-Interview mit Walter Füllbrandt am 28.10. und 17.11.2009 (Oncken-Archiv Elstal).

Veröffentlichungen

Ist die Gemeinde ein sekundäres System?, in: sz (Semesterzeitschrift) 1/1960, S. 10-12.

Warum bin ich Baptist?, in: sz 4/1962, S. 8f.

Die Gottesherrschaft ist mitten unter euch (Vortrag auf der Bundeskonferenz Hamburg-Altona, Mai 1965), in: Die Gemeinde 1965? Vgl. dazu Edwin Brandt, Chronik 1945-1984, in: G. Balders (Hg), Ein Herr, 1984, S. 321.

Die Diakonisse der Zukunft, in: sz 16/1968, S. 18-20.

Neu das Leben anfangen, in: Die Gemeinde 5/1970, S. 3.

Keine Macht über den Tag des Todes, in: Die Gemeinde 48/1972, S. 2.

Was sagt mein Herr?, in: Die Gemeinde 49/1972, S. 2.

„Selber schuld?“, in: Die Gemeinde 50/1972, S. 2.

Sensucht nach der heilen Welt, in: Die Gemeinde 51/1972, S. 2.

Das Ende der Selbstgerechtigkeit, in: Die Gemeinde 3/1973, S. 2.

Die Nerven verloren?, in: Die Gemeinde 4/1973, S. 2.

Matthäus berichtet vom Einzug Jesu, in: Die Gemeinde 50/1974, S. 2.

Das Albertinen-Krankenhaus, Hamburg–Schnelsen, in: Die Gemeinde 23/1977, S. 8.

Konkreter Auftrag in Argentinien, in: Die Gemeinde 22/1979, S. 13.

Chancen und Gefährdung der Diakonie im Wohlfahrtsstaat (I-II), (Vortrag auf der Bundesratstagung in Berlin), in: Die Gemeinde 30 und 31, 1979, S. 4f.

Nachruf auf Hans Fehr, in: Die Gemeinde 37/1979, S. 13f.

Wie es weiterging. Nachwort von Walter Füllbrandt, in: Albertine Assor (1863-1953), Deine Augen sahen mich…Ungeschminkte Ansichten einer hamburgischen Mutterhaus-Oberin, hg. v. Albertinen-Diakoniewerk e.V., Wuppertal und Kassel 1989, S. 199-205.

Die Entwicklung des Werkes von 1964 bis 1989, in: Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 48-51.

Die Umstellung von 1970, in: Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 110f.

„Albertinen“ ist ein noch ganz junges Werk (Bernd Seguin vom Norddeutschen Rundfunk interviewt Walter Füllbrandt), in: Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 118-121.

Literatur

Festschrift 150 Jahre Oncken-Gemeinde 1834-1984, zusammengestellt von H. Becker, D. Kroll, E. Rockel, Hamburg 1984, S. 77.48f.142 (Foto).153 (Foto mit Ehefrau Dorothea).

G. Balders (Hg), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. 150 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland 1834-1984. Festschrift, Wuppertal/Kassel 1984, S. 321.329.

Harold Eisenblätter (über Walter Füllbrandt), in: Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 34-45.

Grenzen überschreiten. 25 Jahre Albertinen-Krankenhaus Hamburg-Schnelsen, o.J. (1989), S. 15.17.

Harold Eisenblätter, Pastor Walter Füllbrandt wurde vom Hamburger Senat mit dem Titel „Professor“ ausgezeichnet, in: Die Gemeinde 6/1995, S. 17.

Astrid Giebel, Glaube, der in der Liebe tätig wird (Baptismus-Studien 1), Kassel 2000, S. 298.328.338.

Theologisches Gespräch 2005, Beiheft 6 (Festschrift 125 Jahre Theologisches Seminar), S. 72: Gastvortrag: „Diakonie - ihr Stellenwert im Gemeindeverständnis heute“, online: https://www.th-elstal.de/fileadmin/content/Theologische_Hochschule_Elstal/125_Jahre_TheolSeminar-ThGesprBeiheft.pdf

Neue Wege: Walter Füllbrandt, in: Auf klarem Kurs. 100 Jahre. Vom Diakonissenverein Siloah zur Albertinengruppe, Ahnatal 2007, S. 102-111 (Text: Frank Fornaçon).

Streitbar für das Leben und mehr Lebensqualität, in: albertinen aktuell 1/07, S. 6f.

D.Lütz (Hg), „Die Bibel hat die Schuld daran“ (Festschrift zum 175. Jubiläum der Oncken-Gemeinde in Hamburg 2009), 2009, S. 375.

Die Gemeinde, Februar/März 2010 (80. Geburtstag).

Karl Heinz Walter, Meine Geschichte als Generalsekretär der European Baptist Federation 1989 - 1999, Hamburg 2020, S. 55.333f.375.404.405.437.443.541.

Karl Heinz Walter, Auf dein Wort … (Autobiografie), Hamburg 2023, S. 225.

Nachruf in: Die Gemeinde 3/2024, S. 28.

Bildnachweis: Oncken-Archiv des BEFG, Elstal bei Berlin