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Carl Füllbrandt

Carl Füllbrandt (* 22. September 1880 in Saweljewstal bei Odessa; † 7. November 1956 in Toronto/Kanada) war Kaufmann und Missionsinspektor der deutschen Baptistengemeinden in Südosteuropa, deren Zeitschrift „Täuferbote“ er mitherausgab.

carl_fuellbrandt.jpgcarl_fuellbrandt-2.jpgKurzfassung:

Ältester Sohn des Baptistenpredigers Carl G. Füllbrandt (Senior, 1858-1915) von Odessa. Neben seinem Beruf als Kaufmann diente er in der Verkündigung der Gemeinde mit. Nach Beginn des 1.Weltkriegs kam er mit seiner Frau in die Verbannung nach Sibirien, aus der er erst 1921 zurückkehrte. Seitdem organisierte er Hilfslieferungen an Not leidende Baptistengemeinden im Auftrag der deutschen Baptisten Nordamerikas. 1924 berief ihn die North American Baptist General Conference , Illinois (die deutschsprachigen Baptisten Amerikas), zum Missionsinspektor für die deutschen Baptistengemeinden in Südosteuropa, was zu seiner Lebensaufgabe wurde. Für diesen Dienst wurde er 1925 in Berlin vom deutschen Bund ordiniert. Von seinem Wohnsitz Wien aus unternahm er zahlreiche Reisen zur Unterstützung der Missionsarbeit in der „Donauländermission“ Südosteuropas. Er wurde zum Mitherausgeber des „Täuferboten“ (1930-1942), für den er zahlreiche Reiseberichte und Gemeindenachrichten schrieb. Auf Bibelkursen unterrichtete er vor allem Homiletik. Seine Liebe galt auch der Zigeunermission (heute: Mission unter Sinti und Roma), die zur Gründung einer baptistischen Zigeunergemeinde in Golinzi (bei Lom/Bulgarien) führte. Die Missionsarbeit in Südosteuropa hielt er mit seiner Kamera fest, was ihm den Namen „Filmbrandt“ einbrachte. 1942-1944 war er für die Seminarausbildung tätig in Hamburg und Wiedenest vor allem als Dolmetscher und Lehrer für die slawischen Studenten. Um der russischen Besatzungszone zu entgehen, verlegte er 1949 seinen Wohnsitz nach Salzburg und 1954 übersiedelte er nach Toronto/Kanada zu seinem Sohn. Er war verheiratet mit Magdalena, geb. Graeber (gestorben 1940), mit der er einen Sohn hatte. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er Rosa, geb. Freyer, die von 1953 bis 1964 Vorsitzende der Bundes-Frauenarbeit in Österreich war. (RF)

Ausführlichere Kurzbiographie von Roland Fleischer und Franz Graf-Stuhlhofer, siehe Langfassung 2014).

Langfassung:

Kaufmann und Prediger, der im Auftrag der nordamerikanischen und deutschen Baptisten die Baptistengemeinden auf dem Balkan betreute.

Als Missionsinspektor der „Donauländermission“ war er Mitherausgeber des Täufer-Boten, darin zuständig vor allem für die Nachrichten aus den Gemeinden. Er schrieb keine Artikel zur christlichen Lehre, und äußerte sich auch kaum in politischer Hinsicht.

Er wurde am 22. September 1880 in Saweljewstal bei Odessa in Südrussland geboren. Er war der älteste Sohn von Carl Gottfried Füllbrandt (1858-1915) und dessen Frau Elisabeth (1858-1936). Er bekehrte sich um 1900 und wurde von seinem Vater, der seit 1898 Baptistenprediger in Odessa war, getauft. 1902 heiratete er Magdalena Graeber, mit der er einen Sohn Wilhelm („Willy“) hatte, geb. 1906. Neben seinem Beruf als Kaufmann diente Carl Füllbrandt der Gemeinde in der Verkündigung des Evangeliums. Die 1870 gegründete deutsche Baptistengemeinde Odessa war groß und hatte über 40 Predigtstationen unter den deutschen Kolonisten.

Auch zwei Brüder von Carl wurden Prediger, Emil und Friedrich: Emil Füllbrandt (1893-1959), seit 1921 bei „Licht im Osten“ in Wernigerode, dann Gemeindedienst in Weener, ab 1937 in Eilenburg. Friedrich Füllbrandt (1884-1934), Direktor des Diakonissenwerks Bethel-Berlin von 1926 bis zu seinem frühen Tod 1934.

Nach Beginn des ersten Weltkriegs musste Carl Füllbrandt in die sibirische Verbannung, auch seine Familie erlitt das gleiche Schicksal. Trotz aller damit verbundenen Not verkündigte er das Evangelium im Tscheljabinsker Gebiet, in Omsk sowie in Tomsk. Erst 1921 konnte er mit seiner Familie nach Deutschland übersiedeln, zunächst nach Hannover, wo sein Vater 1915 verstorben war. Trotz seiner negativen Erfahrungen in Russland unternahm er mehrere Reisen dorthin, wobei er Hilfsgüter an Not leidende Baptistengemeinden verteilte, aber auch an die Ärmsten anderer Konfessionen. Dazu hatten ihn neben dem deutschen Bund hauptsächlich die deutschsprachigen nordamerikanischen Baptisten beauftragt. 1924 berief ihn die North American Baptist General Conference, Forest Park in Illinois, zum Missionsinspektor für die deutschen Baptistengemeinden in Südosteuropa. Zur Förderung ihrer Missionsarbeit schlossen sich die Gemeinden 1925 zur „Donauländermission“ zusammen. Diese Arbeit als Missionsinspektor wurde zu seiner Lebensaufgabe. Für diese Aufgabe wurde er vom deutschen Bund in Anwesenheit von Vertretern der nordamerikanischen Baptisten in Berlin im Oktober 1925 als Prediger ordiniert. Von Wien aus, seinem neuen Wohnsitz, unternahm er unermüdlich und mehrmals jährlich mehrwöchige Reisen in das Donauländer-Missionsgebiet, zu dem folgende Länder zählten: Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. Er unterstützte die Gemeinden und ihre Prediger sowie Bibelkolporteure und Hausmissionare, u.a. mit Schriften, hielt Evangelisationsvorträge und Bibelkurse; außerdem führte er Hausbesuche durch. Über das nordamerikanische Missionskomitee erhielten Prediger und Gemeinden finanzielle Unterstützung besonders zum Bau von Gemeindehäusern. Auch den entstehenden einheimischen Gemeinden diente er, teilweise mit Hilfe von Dolmetschern. Keiner kannte das Gemeindeleben in Südosteuropa so gut wie er. Als ab 1930 der Täuferbote herausgegeben wurde, redigierte er in diesem 8seitigen Monatsblatt die eingehenden „Gemeinde-Nachrichten“. Auf 2 bis 3 Seiten erscheint in diesen Berichten ein lebendiges Bild der Gemeinde- und Missionsarbeit in den verschiedenen Ländern. Auch Reiseberichte von Füllbrandt wurden im Täuferboten abgedruckt. Auf Bibelkursen, die er zusammen mit anderen Baptistenpredigern durchführte, unterrichtete er vor allem Homiletik, um die Missionsarbeiter in der Verkündigung anzuleiten. Er verfasste dazu eine kleine Schrift „Die geistliche Rede“. Sie wurde nochmals posthum 2002 in Wien herausgegeben (Homiletik: kurzer Unterricht über die Geistliche Rede; gesammelt aus verschiedenen Quellen, Wien 2002, 32 Seiten). Seine Liebe galt auch der Zigeunermission (heute: Mission unter Sinti und Roma), die in Golinzi (bei Lom in Bulgarien), zur Gründung einer baptistischen Zigeunergemeinde führte. Als leidenschaftlicher Filmer führte er viele Filmabende zur Veranschaulichung von Missionsberichten durch, was ihm den Spitznamen „Filmbrandt“ einbrachte. Seine Reisen führten ihn dreimal nach Nordamerika und über die Donauländer hinaus bis nach Konstantinopel und Riga. Mit dem deutschen Bund blieb er stets in Verbindung. So sprach er auf dem baptistischen Weltkongress in Berlin 1934 über die Missionsarbeit in Südosteuropa und verlas dort auch ein Referat über die religiöse Lage in Rußland für seinen erkrankten Bruder Friedrich.

Im Januar 1940 starb seine Frau Magdalena in Wien, die ein Leben lang an den Folgen der sibirischen Internierung litt. Der Sohn Willy war schon 1929 nach Kanada emigriert.

Im Zweiten Weltkrieg half Carl Füllbrandt dem deutschen Bund in der Seminarausbildung. Zuerst 1942 als Dolmetscher und Lehrer für die slawischen Studenten, dann ab September 1943, als das Seminar nach der Hamburger Katastrophe nach Wiedenest verlegt wurde, als Lehrer. Bibelschule und Seminar in Wiedenest wurden im September 1944 von der Gestapo endgültig geschlossen, die Schüler in die Rüstungsindustrie geschickt. Die politischen Umwälzungen zum Kriegsende 1945 machten die Arbeit der Donauländermission unmöglich.

1949 verlegte er seinen Wohnort von Wien nach Salzburg, um der russischen Besatzungszone auszuweichen. 1954 siedelte er im Alter von 74 Jahren mit seiner zweiten Frau zu seinem Sohn nach Toronto/Kanada, wo er am 7. November 1956 starb.

Quellen:

Nachruf in: Die Gemeinde 2/1957, S.8; Nachruf von Philip Scherer in: Der Sendbote. Organ der Nordamerikanischen Gemeinden, Cleveland/Ohio, am 20. Dezember 1956 (Nr.26); Rudolf Donat, Das wachsende Werk, Kassel 1960, S.186.387.393; Predigerseminar Hamburg-Horn Festschrift 1955, S.15.67; Festschrift Hundert Jahre Theologisches Seminar 1880-1980 des BEFG, hg. v. G.Balders, Wuppertal und Kassel 1980, S.42.138-140.

(Roland Fleischer/Franz Graf-Stuhlhofer, 2014)

Mitherausgeber des Täuferboten (1930-1942), darin zahlreiche Reiseberichte und Gemeindenachrichten: https://www.befg.de/medien-service/oncken-archiv/bestaende/.

Verschiedene Art. im Wahrheitszeugen und im Täuferboten.

Im Tiegel der Trübsal Sibiriens (Erinnerungen), ca. 1921 (vgl. dazu W.Gutsche, Religion, 1959, 35f).

Wassily Pawloff, in: Wahrheitszeuge 1922, Nr. 13, S. 94-96.

Deutschamerikanische Baptistenhilfe, in: Wahrheitszeuge 1923, Nr. 17, S.126f.

Das neue Rußland, in: Wahrheitszeuge 1923, Nr. 44, S.327f.

Wasili Guriewitsch Pawloff †, in: Wahrheitszeuge 1924, Nr. 29, S. 231f.

Siege des Evangeliums in Rußland, in: Wahrheitszeuge 1925, Nr. 40, S. 320.

Bethauseinweihung bei den Zigeunern in Bulgarien, in: Wahrheitszeuge 1930, Nr. 45, S. 359.

Meine Deutschlandreise, in: Täuferbote März 1931, S. 5f.

Unsere Zigeuner-Mission, in: Täuferbote Mai 1931, S. 6f.

Besuchsreise in Deutschland und Polen mit Br. Dr. William Kuhn, in: Täuferbote Juni/Juli 1931, S. 4f.

Zigeunermission, in: Beilage zum Wahrheitszeugen 1932, Nr. 12 („Bundesmission. Mitteilungen aus dem vielseitigen Dienst unserer Bundesarbeit“).

(100 Jahre Deutscher Baptismus) Die deutschen Baptisten in Russland, in: Wahrheitszeuge 1934, Nr. 8 (25.2.1934), S. 60.

Südosteuropa - eine missionarische Aufgabe für den deutschen Baptismus, in: Wahrheitszeuge 1934, Nr. 8, S. 63f.

Reisebericht, in: Täuferbote Juli 1935, S. 6.

Bulgarien, Zigeunermission, in: Täuferbote Juli 1935, S. 6f.

Meine Winter-Missionsreise durch die Donauländer, Täuferbote April 1936, S.2f.

Nachrichten aus Österreich, in: Die Gemeinde 1948 (Nr. 5), S. 39.

Unser Werk in Jugoslawien, in: Die Gemeinde 1953, S. 269f.

Das baptistische Missionswerk in Jugoslawien, in: Die Gemeinde 1953, S. 310f.

Die Evangeliumschristen (Baptisten) in Russland, in: Die Gemeinde 1953, S. 343f.

Oncken und die Anfänge der Mission in Südost-Europa. Auszüge aus Reisebriefen J.G.Onckens von dessen Pionier-Missionsreise durch die Länder von Südost-Europa (Briefe von 1869), in: Die Gemeinde 1954, Nr. 5 (7.3.1954), S. 70f.

Die Entstehung und Entwicklung des baptistischen Werkes in Bulgarien, in: Die Gemeinde 1955, Nr. 20, S. 310f.

Homiletik. Kurzer Unterricht über die Geistliche Rede. Gesammelt aus verschiedenen Quellen, posthum in Wien 2002 veröffentlicht (32 S.).

Wahrheitszeuge 1925, Nr. 49, S. 391 (Ordination); Erste Donauländer-Missionskonferenz, in: Wahrheitszeuge 1931, Nr. 47 (22.11.1931), S. 375; Fünfter Baptisten-Welt-Kongreß. Deutscher Bericht des in Berlin vom 4. bis 10. August 1934 gehaltenen Kongresses, hg. v. W.Harnisch und P.Schmidt, Kassel 1934, S. 90f; Täuferbote August/September 1934, S. 3.4; Täuferbote 1940, Nr. 2, S. 5-7 (Nachruf Magdalena Füllbrandt); Festschrift 75jähriges Jubiläum Predigerseminar, Hamburg-Horn 1955, S. 15.67; F. Townley Lord, Baptist World Fellowship. A short history of the Baptist World Alliance, London 1955, p. 82; Nachruf von Philip Scherer in: Der Sendbote. Organ der Nordamerikanischen Gemeinden, Cleveland/Ohio, am 20. Dezember 1956 (Nr.26); Nachruf in: Die Gemeinde 2/1957, S. 8; Donat, Entstehung, 1958, S. 439; J. Meister(Hg), Bericht über den Kongress der Europäischen Baptisten 26.-31.Juli 1958 in Berlin, Kassel 1959, S. 222f; W. Gutsche, Religion und Evangelium in Sowjetrussland zwischen zwei Weltkriegen (1917-1944), Kassel 1959, S. 36f.48; Donat, Ausbreitung, S. 186.387.391.393; G. Balders, „Heilige Gefolgschaft“. Über das „Führerprinzip“ im Bund der Baptistengemeinden am Anfang des Dritten Reiches, in: ThGespr 3-4/1979, S. (5-15) 7.14; Festschrift 100 Jahre Theologisches Seminar 1880-1980, S. 42.138-140; Festschrift 150 Jahre Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Stuttgart 1838-1988, S. 43; Ernst Schrupp, Gott macht Geschichte. Die Bibelschule und das Missionshaus in Wiedenest, Wuppertal und Zürich 1995, S. 94; Andrea Strübind, Unfreie Freikirche, 2.Aufl. 1995, Register; Friedrich Georg Teutsch, Ein Leben nur. Geschichte der Gemeinde deutscher Baptisten: Kronstadt, Sindelfingen 1999, S. 44.47.57f.63f.75.76.77.85-87.111.163f; Franz Graf-Stuhlhofer, Öffentliche Kritik am Nationalsozialismus im Großdeutschen Reich. Leben und Weltanschauung des Wiener Baptistenpastors Arnold Köster (1896-1960), Neukirchen-Vluyn 2001, S. 23f.32.38.40.42-48.51f.56f.60-63.117-119.136.151f.164.172f.187; Frisches Wasser auf dürres Land. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Bundes der Baptistengemeinden in Österreich (Baptismus-Studien 7), hrsg.v. F. Graf-Stuhlhofer, Kassel 2005, S. 2.40.119.120.121.123.132.133; 201.206 (Rosa Füllbrandt); Horst Afflerbach, Die heilsgeschichtliche Theologie Erich Sauers, Wuppertal 2006 (543 S.), Register; Franz Graf-Stuhlhofer, Deutschsprachige Baptisten in Südosteuropa im Jahr 1930, in: Dietmar Lütz (Hg), „Die Bibel hat die Schuld daran“. Festschrift zum 175. Jubiläum der Oncken-Gemeinde Hamburg, Hamburg 2009, S. (191-225) 192-194.195.196.198.199.202-209.212-216.218.219.220f.222.224; Andreas Liese, Im Feuersturm. Die Zerstörung des Predigerseminars vor 75 Jahren, in: Die Gemeinde 16/2018, S. 10f; Veit Claesberg, Der pastorale Leiter als Prophet. Der Baptistenprediger Arnold Köster (1896-1960) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus (Baptismus-Dokumentation 8), Elstal/Norderstedt 2018, S. 104.108.211.259: http://uir.unisa.ac.za/bitstream/handle/10500/24798/dissertation_claesberg_v.pdf?sequence=1&isAllowed=y; vgl. auch wikipedia-Art. Täufer-Bote: https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4ufer-Bote

Bildnachweis: Archiv Baptistengemeinde Wien-Mollardgasse / Privatarchiv Roland Fleischer

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