rudnitzky

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 ====== Naphtali Rudnitzky ====== ====== Naphtali Rudnitzky ======
  
-**Naphtali Rudnitzky** (* 4. Mai 1869 in Nikolajew/Südrussland;  † 4. Februar 1940 in Stockholm) war  baptistisch geprägter Judenmissionar jüdischer Herkunft, der europaweit reiste, Gemeinden besuchte und Vorträge hielt. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Der Oelberg“ (1902-1938) und weiteren Zeitschriftenartikeln wandte er sich frühzeitig und deutlich gegen Antisemitismus und den aufkommenden Nationalsozialismus. 1933 ging er ins Exil. +**Naphtali Rudnitzky** (* 4. Mai 1869 in Nikolajew/Südrussland; † 4. Februar 1940 in Stockholm) war baptistisch geprägter Judenmissionar jüdischer Herkunft, der europaweit reiste, Gemeinden besuchte und Vorträge hielt. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Der Oelberg“ (1902-1938) und weiteren Zeitschriftenartikeln wandte er sich frühzeitig und deutlich gegen Antisemitismus und den aufkommenden Nationalsozialismus. 1933 ging er ins Exil.
 ===== Leben ===== ===== Leben =====
  
-{{  :rudnitzky.jpg?nolink&200x266|rudnitzky.jpg}}Erst wollte er Rabbiner werden, dann kam er "durch persönliches Studium des Neuen Testaments und durch Kontakt zu Christen zu einer Entscheidung für Christus" (Ronald Hentschel). Rudnitzky wurde 1890 in der Baptistengemeinde Odessa getauft. Ab 1895 studierte er am Hamburger Predigerseminar der deutschen Baptisten. Ein Studienjahr verbrachte er in Berlin bei Hermann Strack 1898. Seine Ehefrau Emma (1869-1949) war wohl keine Jüdin. Sie hatten fünf Kinder. Von 1899 bis 1902 war er Pastor in der Baptistengemeinde Schmalkalden/Thüringen. Seit dieser Zeit gab er das Missionsblatt „Der Oelberg“ heraus. Es erschien von 1902 bis 1938 und wurde sein wesentliches Hauptwerk. 1908-1910 und von 1928 bis September 1935 wurde es im Oncken-Verlag Kassel gedruckt; die letzten Jahrgänge in Brünn. Daneben erschienen seit 1903 aus seiner Feder verschiedene Artikel in „Der Wahrheitszeuge“ sowie im „Hilfsboten“, die letzten im März 1933. 1902 zog er um nach Königsberg, um dort als Judenmissionar zu arbeiten. Aufgrund zu geringer Unterstützung siedelte er 1905 nach Berlin. Hier hatte er die längste und kontinuierlichste Zeit der Arbeit unter Juden. Ab 1920 wohnte er in einem Haus in der Oranienburger Straße 20 und pflegte gute Kontakte zu den Berliner Baptistengemeinden. Eine zu enge Anbindung an den Bund der Baptistengemeinden lehnte er ab, da sein Ideal eine eigenständige judenchristliche Gemeinde war. Auch von der Synagoge wurde seine Arbeit „zunehmend akzeptiert“. 1923 kam es zu einem abruptem Bruch mit seiner Missionsgesellschaft der „Hebrew Christian Testimony to Israel“ in London, deren Mitarbeiter er seit 1909 war. In Dresden bildete sich seit 1910 eine kleine Gruppe Judenchristen, die unter dem Einfluss von Rudnitzkys Arbeit standen. Immer wieder gab es Reisen durch das Reichsgebiet mit langen Aufenthalten, auch in Skandinavien, wo er in Schweden und Finnland viele Unterstützer hatte. Reisen führten ihn auch nach Südosteuropa und Russland. Zwei Vereine bildeten sich zur Unterstützung seiner Missionsarbeit: 1906 der Verein „Israels Vänner“ in Stockholm und 1907 der „christliche Verein der Freunde Israels“ mit Sitz in Berlin. Den Vorsitz in Berlin führte in den ersten Jahren Baptistenpastor __Eduard Scheve__. Die Unterstützungsvereine sollten hauptsächlich finanzielle und organisatorische Hilfe leisten. Da auch hier wieder die finanzielle Unterstützung gering blieb, wurde er 1909 Mitarbeiter der „Hebrew Christian Testimony to Israel,“ und nannte seine Missionsarbeit nach ihrem Vorbild um in „Judenchristliches Zeugnis an Israel“. Neben Berlin und Dresden wirkte Rudnitzky unter Juden in Baden-Baden, Darmstadt, Emden, Erfurt, Frankfurt/Main, Fulda, Gumbinnen, Königsberg, Mainz, Rostock, Stuttgart, Thorn, Tilsit, Wiesbaden, Worms und Zwickau. Von 1927 bis 1932 arbeitete Rudnitzky in Frankfurt. In der dortigen Baptistengemeinde traf er auf einige Judenchristen. Gleichzeitig war er Prediger der Gemeinde Darmstadt. Im Protokoll der Hessischen Vereinigungskonferenz vom Mai 1929 heißt es: „Aus der ´Arbeit unter Israel` berichtet Br. Rudnitzky-Frankfurt a.M. Diese Arbeit ist schwierig, weil dafür unter den Christen häufig das rechte Verständnis fehlt. Leider ist gerade verkehrt betriebene Judenmission ein Hindernis für die Arbeit an den Juden gewesen.“ Danach kehrte er wieder nach Berlin zurück. Auf seinen zahlreichen Reisen durch Europa besuchte er auch die Zionistenkongresse in Wien (1925), in Zürich (1929) mit dem Auftritt von Chaim Weizmann und in Basel (1931) und berichtete darüber in seiner Zeitschrift „Oelberg.“ 1927 unternahm er eine Palästinareise.+{{  :rudnitzky.jpg?nolink&200x266|rudnitzky.jpg}}Erst wollte er Rabbiner werden, dann kam er "durch persönliches Studium des Neuen Testaments und durch Kontakt zu Christen zu einer Entscheidung für Christus" (Ronald Hentschel). Rudnitzky wurde 1890 in der Baptistengemeinde Odessa getauft. Ab 1895 studierte er am Hamburger Predigerseminar der deutschen Baptisten. Ein Studienjahr verbrachte er in Berlin bei Hermann Strack 1898. Seine Ehefrau Emma (1869-1949) war wohl keine Jüdin. Sie hatten fünf Kinder. Von 1899 bis 1902 war er Pastor in der Baptistengemeinde Schmalkalden/Thüringen. Seit dieser Zeit gab er das Missionsblatt „Der Oelberg“ heraus. Es erschien von 1902 bis 1938 und wurde sein wesentliches Hauptwerk. 1908-1910 und von 1928 bis September 1935 wurde es im Oncken-Verlag Kassel gedruckt; die letzten Jahrgänge in Brünn. Daneben erschienen seit 1903 aus seiner Feder verschiedene Artikel in „Der Wahrheitszeuge“ sowie im „Hilfsboten“, die letzten im März 1933. 1902 zog er um nach Königsberg, um dort als Judenmissionar zu arbeiten. Aufgrund zu geringer Unterstützung siedelte er 1905 nach Berlin. Hier hatte er die längste und kontinuierlichste Zeit der Arbeit unter Juden. Ab 1920 wohnte er in einem Haus in der Oranienburger Straße 20 und pflegte gute Kontakte zu den Berliner Baptistengemeinden. Eine zu enge Anbindung an den Bund der Baptistengemeinden lehnte er ab, da sein Ideal eine eigenständige judenchristliche Gemeinde war. Auch von der Synagoge wurde seine Arbeit „zunehmend akzeptiert“. 1923 kam es zu einem abruptem Bruch mit seiner Missionsgesellschaft der „Hebrew Christian Testimony to Israel“ in London, deren Mitarbeiter er seit 1909 war. In Dresden bildete sich seit 1910 eine kleine Gruppe Judenchristen, die unter dem Einfluss von Rudnitzkys Arbeit standen. Immer wieder gab es Reisen durch das Reichsgebiet mit langen Aufenthalten, auch in Skandinavien, wo er in Schweden und Finnland viele Unterstützer hatte. Reisen führten ihn auch nach Südosteuropa und Russland. Zwei Vereine bildeten sich zur Unterstützung seiner Missionsarbeit: 1906 der Verein „Israels Vänner“ in Stockholm und 1907 der „christliche Verein der Freunde Israels“ mit Sitz in Berlin. Den Vorsitz in Berlin führte in den ersten Jahren Baptistenpastor Eduard Scheve. Die Unterstützungsvereine sollten hauptsächlich finanzielle und organisatorische Hilfe leisten. Da auch hier wieder die finanzielle Unterstützung gering blieb, wurde er 1909 Mitarbeiter der „Hebrew Christian Testimony to Israel,“ und nannte seine Missionsarbeit nach ihrem Vorbild um in „Judenchristliches Zeugnis an Israel“. Neben Berlin und Dresden wirkte Rudnitzky unter Juden in Baden-Baden, Darmstadt, Emden, Erfurt, Frankfurt/Main, Fulda, Gumbinnen, Königsberg, Mainz, Rostock, Stuttgart, Thorn, Tilsit, Wiesbaden, Worms und Zwickau. Von 1927 bis 1932 arbeitete Rudnitzky in Frankfurt. In der dortigen Baptistengemeinde traf er auf einige Judenchristen. Gleichzeitig war er Prediger der Gemeinde Darmstadt. Im Protokoll der Hessischen Vereinigungskonferenz vom Mai 1929 heißt es: „Aus der ´Arbeit unter Israel` berichtet Br. Rudnitzky-Frankfurt a.M. Diese Arbeit ist schwierig, weil dafür unter den Christen häufig das rechte Verständnis fehlt. Leider ist gerade verkehrt betriebene Judenmission ein Hindernis für die Arbeit an den Juden gewesen.“ Danach kehrte er wieder nach Berlin zurück. Auf seinen zahlreichen Reisen durch Europa besuchte er auch die Zionistenkongresse in Wien (1925), in Zürich (1929) mit dem Auftritt von Chaim Weizmann und in Basel (1931) und berichtete darüber in seiner Zeitschrift „Oelberg.“ 1927 unternahm er eine Palästinareise.
  
 {{  :rudnitzky-1.jpg?nolink&200x270|rudnitzky-1.jpg}}In Artikeln wandte sich Rudnitzky frühzeitig und deutlich gegen Antisemitismus und den aufkommenden Nationalsozialismus und entlarvte „sowohl den russischen Kommunismus als auch den Nationalsozialismus in Deutschland als antichristliche Bewegungen“. Er beklagte oft antisemitisches Denken auch unter Christen. Daneben setzte er sich mit der Allversöhnungslehre eines Ernst F. Ströter kritisch auseinander. Schon 1921 hatte sich Rudnitzky gegen die unkritische Übernahme der sog. „Protokolle der Weisen von Zion“ durch Ströter gewandt und sie als antisemitische Fälschung zurückgewiesen. Im April 1933 verließ er Deutschland und emigrierte über Paris und Brünn nach Stockholm, wo er auf Einladung seines Freundes Pastor Modén die letzten Jahre seines Lebens wohnte. Bis 1937 stand er auf der Predigerliste des deutschen Bundes. Die deutschen Behörden lehnten sein Gesuch vom 28.12.1934 auf Wiedereinreise und Wiederaufnahme seiner Missionstätigkeit ab. Damit blieb er am Ende seines Lebens isoliert. {{  :rudnitzky-1.jpg?nolink&200x270|rudnitzky-1.jpg}}In Artikeln wandte sich Rudnitzky frühzeitig und deutlich gegen Antisemitismus und den aufkommenden Nationalsozialismus und entlarvte „sowohl den russischen Kommunismus als auch den Nationalsozialismus in Deutschland als antichristliche Bewegungen“. Er beklagte oft antisemitisches Denken auch unter Christen. Daneben setzte er sich mit der Allversöhnungslehre eines Ernst F. Ströter kritisch auseinander. Schon 1921 hatte sich Rudnitzky gegen die unkritische Übernahme der sog. „Protokolle der Weisen von Zion“ durch Ströter gewandt und sie als antisemitische Fälschung zurückgewiesen. Im April 1933 verließ er Deutschland und emigrierte über Paris und Brünn nach Stockholm, wo er auf Einladung seines Freundes Pastor Modén die letzten Jahre seines Lebens wohnte. Bis 1937 stand er auf der Predigerliste des deutschen Bundes. Die deutschen Behörden lehnten sein Gesuch vom 28.12.1934 auf Wiedereinreise und Wiederaufnahme seiner Missionstätigkeit ab. Damit blieb er am Ende seines Lebens isoliert.
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 //Kurzbiographie von Ronald Hentschel in: Evangelisch getauft – als ´Juden` verfolgt. Theologen jüdischer Herkunft in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, hg. v. H. Ludwig und E. Röhm, Stuttgart 2014, S. 292f. (Einleitung und Register: // [[https://www.calwer-stiftung.com/media/39/IV_4299_Gedenkbuch.pdf|https://www.calwer-stiftung.com/media/39/IV_4299_Gedenkbuch.pdf]]) //Kurzbiographie von Ronald Hentschel in: Evangelisch getauft – als ´Juden` verfolgt. Theologen jüdischer Herkunft in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, hg. v. H. Ludwig und E. Röhm, Stuttgart 2014, S. 292f. (Einleitung und Register: // [[https://www.calwer-stiftung.com/media/39/IV_4299_Gedenkbuch.pdf|https://www.calwer-stiftung.com/media/39/IV_4299_Gedenkbuch.pdf]])
  
-//Kurzbiographie in: R. Fleischer, Judenchristliche Mitglieder in Baptistengemeinden im „Dritten Reich“, in: ThGespr, Beiheft 12 (2012/2019), S. 37-39: //https://www.theologisches-gespraech.de/archiv/61-beiheft-thgespr-2012-rev-2019 +//Kurzbiographie in: R. Fleischer, Judenchristliche Mitglieder in Baptistengemeinden im „Dritten Reich“, in: ThGespr, Beiheft 12 (2012/2019), S. 37-39: // [[https://www.theologisches-gespraech.de/archiv/61-beiheft-thgespr-2012-rev-2019|https://www.theologisches-gespraech.de/archiv/61-beiheft-thgespr-2012-rev-2019]]
  
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 Nachlass (Korrespondenzen von 1904 bis 1927): [[https://kalliope-verbund.info/gnd/query?q=ead.creator.gnd%3D%3D%22127437169%22|https://kalliope-verbund.info/gnd/query?q=ead.creator.gnd%3D%3D%22127437169%22]] Nachlass (Korrespondenzen von 1904 bis 1927): [[https://kalliope-verbund.info/gnd/query?q=ead.creator.gnd%3D%3D%22127437169%22|https://kalliope-verbund.info/gnd/query?q=ead.creator.gnd%3D%3D%22127437169%22]]
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 ===== Veröffentlichungen ===== ===== Veröffentlichungen =====
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 **Bibliographie** bei R. Hentschel, Naphtali Rudnitzky, 1994, S. 114-120. **Bibliographie** bei R. Hentschel, Naphtali Rudnitzky, 1994, S. 114-120.
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 ===== Literatur ===== ===== Literatur =====
  
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