Max Slawinsky
Dr. phil. Max Slawinsky (* 15. April 1897 in Berlin; † 10. Dezember 1940 in Stettin) war Prediger in Berlin und Stettin und Seminarlehrer in Hamburg. Er setzte sich mit der Weltanschauung der NS-Bewegung auseinander; auch veröffentlichte er einen Leitfaden für den Religionsunterricht.
Leben
Er wuchs auf in Berlin und nahm am Ersten Weltkrieg teil. Nach Verwundung und Bekehrung studierte er Theologie in Berlin (1918-1923). Daneben arbeitete er ab 1922 als Prediger in der Gemeinde Berlin-Wattstraße, wo er 1923 ordiniert wurde. 1923-1925 studierte er weiter an der Universität Hamburg und war Hilfslehrer für Griechisch, Archäologie und deutsche Grammatik am baptistischen Seminar. Den Dr. phil. erhielt er nach einem Promotionsstudium von der Universität Würzburg 1926. 1926-1931 war er Seminarlehrer für Altes Testament und zugleich engagiert an der Gründung der Gemeinde Rahlstedt. Weil das Seminar aus Kostengründen durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Ende 1931 geschlossen werden musste, gab er die Stellung als Seminarlehrer wieder auf und wurde 1932 Gemeindeprediger in Stettin-Johannisstraße. Er bejahte die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auch durch Baptisten. In seinen Publikationen setzte er sich mit der völkischen Ideologie, der germanischen Mythologie und der Rassenlehre des Nationalsozialismus auseinander. Bezeugt wird, dass er den deutschen Gruß verweigerte und stattdessen mit „Heil Christus“ grüßte. Als seine NS-Gegnerschaft bekannt wurde, beobachtete ihn die Gestapo und verhörte ihn mehrfach. Am 10. 12. 1940 wurde er (auf dem Bahnhof Stettin-Finkenwalde [heute Szczecin-Zdroje] ?) höchst wahrscheinlich von der SS ermordet, sein Sarg versiegelt und nach Hamburg-Rahlstedt überführt (Zeitzeugenbericht von Wilhelm Schritt, 1969). Sein Grabmal befindet sich noch heute auf dem Friedhof Hamburg-Rahlstedt, wo 1952 auch seine Frau beerdigt wurde. Er war verheiratet mit Ruth, geb. Wetzel (1906-1952). Sie bekamen drei Kinder. (RF)
„Bisher fehlt eine gründliche Untersuchung seiner Schriften; sie wäre ein Desiderat.“ … Er „profilierte den christlichen Glauben im Kontext und sogar unter Verwendung von Begriffen und Motiven, die seinerzeit in der NS-Ideologie und darüber hinaus bei Zeitgenossen verbreitet waren.“ „Ein Wiedergutmachungsantrag wurde…in den 70er Jahren gestellt, aber wegen Verjährung abgelehnt.“ (Hans Volker Sadlack, in H.Schultze u.a. [Hg], Ev. Märtyrer, 2006/2008).
Unveröffentlichte Kurzbiographie von 1984.
Nachruf in Wahrheitszeuge Nr. 10/11 (16.3.1941), S. 48 (v. H. Saborowski), S. 63.
Wilhelm Schritt, Zum Tode von Dr. Max Slawinsky, in: Die Gemeinde 1971, Nr. 41, S. 1 (Zeitzeugen-Bericht vom 22.2.1969, mit Foto) (zu Wilhelm Schritt siehe wikipedia-Art: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Schritt
Vgl. die Erinnerungen von Manfred Bärenfänger in Freikirchenforschung 12/2002, 184.185-188.
Kurzbiographie von Hans Volker Sadlack, Slawinsky, Max, Dr. phil., in: Harald Schultze u.a. (Hg), “Ihr Ende schaut an.” Ev. Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Leipzig (2006) 2. u. erweiterte Aufl. 2008, 471f.
Kurzbiographie, in: Hans-Joachim Leisten, Wie alle andern auch. Baptistengemeinden im Dritten Reich im Spiegel ihrer Festschriften, Hamburg 2010, S. 131f.
https://maertyrer.info/biografie-07-slawinsky-m/
Grab Hamburg-Rahlstedt:
Quellen
Akten des SD, Bestand R 58 (Reichssicherheitshauptamt), im Bundesarchiv Berlin.
Reichskulturkammer, Reichsschrifttumkammer, Dokumente von 1940/41 (10 Seiten) im Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63.
Akten des RKA (Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten), 2 S., von 1936 und 1938, im Bundesarchiv Berlin.
Nachlass Max Slawinsky im Oncken-Archiv Elstal (teilweise samt Kopien aus den oben genannten Akten).
Zeitzeugenbericht (handschriftlich) von Wilhelm Schritt vom 22.2.1969, Kopie (2 S.), in: Heldische Frömmigkeit. Jesus Christus oder Siegfried? Von Dr. Max Slawinsky. (Nachdruck) Anlässlich des 60. Todes-Tages 10.12.2000, Anhang nach S. 4); abgedruckt in: Die Gemeinde 1971, Nr. 41, S. 1.
Zeitzeugen-Interview mit Sohn Reinhard vom 29.10.2000 (Oncken-Archiv Elstal).
Ungedruckte Arbeit: Onckens Leben und religiöse Entwicklung (siehe Luckey, Oncken, 1934, 302).
Veröffentlichungen
selbständige Veröffentlichungen
Milieupädagogik. Versuch einer pädagogischen Gruppensoziologie, Tilsit 1926 (205 S., soziologische Dissertation, Würzburg). (Besprechung in Theologisches Literaturblatt 52, 1931, S. 110f) Online einsehbar: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:824-01-6-9919-5
Blut und Rasse im Licht der Bibel, Kassel 1934 (20 S.); 3. Aufl. 1936, 5-6Tausend.
Heldische Frömmigkeit. Siegfried oder Christus?, Kassel 1934 (31 S.); Nachdruck anlässlich des 60. Todestages 10.12.2000 mit Anhang samt Fotos, hg. v. Reinhard Slawinsky (darin S. 6-36) (Oncken-Archiv Elstal).
Die unsichtbaren Gegenspieler im Geisteskampf der Weltgeschichte, Kassel 1934 (32 S.).
Vererbung und Gottesglaube, Kassel 1935.
In der Spannung zwischen Gerechtigkeit und Liebe bei der Gemeindezucht, Bundeskonferenz Gelsenkirchen 1936.
Bibel oder Edda?, Berlin-Steglitz 1937.
„Christliche Glaubenskunde“. Leitfaden für den christlichen Religionsunterricht, Kassel 1940, Stuttgart 1946 (114 S., Auflage 3000) (vgl. dazu: Ulf Beiderbeck, Frei und geborgen [Baptismus-Studien 3], Kassel 2002, S. 56).
Artikel im Wahrheitszeugen, im Hilfsboten und im Jungbrunnen
Jungbrunnen 1927, S. 50f (über Mitverantwortung im demokratischen Staat, vgl. dazu Edwin Brandt in: G. Balders [Hg], Ein Herr, 1984, S. 229).
Die Bedeutung des Predigerseminars für unsere Gemeinschaft, in: Festschrift zur Feier des 50jährigen Jubiläums des Predigerseminars 1930, S. 25-32.
Die Religion der alten Germanen, in: Wahrheitszeuge 1931, Nr. 43, S. 340f; Nr. 44, S. 348f.
Täuferbote Oktober 1931, S. 9 („Erste baptistische internationale Jugend-Konferenz in Prag“).
Geschichte und Wesen der deutschen Glaubensbewegung, in: Hilfsbote 1934, Nr. 9-12, S. 200-203.221-226.246-250.274-277.
Orientierung und Wesen der deutschen Glaubensbewegung, in: Hilfsbote 1935, Nr. 1-5, S. 2-4.22-25.36f.50-53.66-72.
Wesen und Aufgabe der Evangelisation, in: Hilfsbote 1937, S. 113-118. 138-144.
Die Bibel - erlebt und erprobt, in: Die Bibel erlebt. Zeugnisse und Erfahrungen, Heft 7, Konstanz 1940, S. 2-13.
Literatur
Ordinationsbericht in: Wahrheitszeuge 1923, H. 41, S. 303; Festschrift zur Feier des 50jährigen Jubiläums des Predigerseminars 1930, S. 16.93.96; Täuferbote Oktober 1931, S. 9; Jahrbuch 1932, S. 5 (Vertretung im Weltbund).46 (Stettin I).89; Jahrbuch 1933 des Bundes der Baptistengemeinden, S. 22; Fünfter Baptisten-Welt-Kongreß. Deutscher Bericht des in Berlin vom 4. bis 10. August 1934 gehaltenen Kongresses, hg. v. W.Harnisch und P.Schmidt, Kassel 1934, S. 51; Jahrbuch 1936, S. 21 (deutsch-englische Jugendfreizeit).88; Jahrbuch 1938, S. 29; Jahrbuch 1939, S. 29.52.107; Nachruf in Wahrheitszeuge Nr. 10/11 (16.3.1941), S. 48 (v. H. Saborowski), S. 63;
125 Jahre J.G.Oncken-Verlag Kassel 1828-1953, S. 37; Festschrift zum 75jährigen Jubiläum des Predigerseminars, Hamburg-Horn 1955, S. 14.66; Wilhelm Schritt, Zum Tode von Dr. Max Slawinsky, in: Die Gemeinde 1971, Nr. 41, S. 1 (Zeitzeugen-Bericht vom 22.2.1969, mit Foto); Robert Kluttig, Geschichte der deutschen Baptisten in Polen 1858-1945, Winnipeg/Kanada 1973, S. 246.321;
Festschrift 100 Jahre Theologisches Seminar 1880-1980, S. 39.126.131.132.138.236; 50 Jahre Ev.-Freikirchliche Gemeinde Rahlstedt 1932-1982, S. 3-7 (über die Zeit in Rahlstedt, 1928-1931); G. Balders (Hg), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. 150 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland 1834-1984. Festschrift, Wuppertal/Kassel 1984, S. 20.123; Edwin Brandt, Vom Bekenntnis der Baptisten, in: ebenda, S. (175-232) 202.229; Edwin Brandt, Vom Gemeindeleben der Baptisten, in: ebenda, S. (233-267) 247; Hartmut Wahl, Das Gemeindebild der mittelalterlichen Täufer als Anfrage an unsere baptistische Gemeindepraxis, in: ThGespr 1/1992 (Festgabe für Adolf Pohl), S. (51-58) 56; Andrea Strübind, Unfreie Freikirche, 2.Aufl. 1995, S. 54.190.200.209.348; Wenn eure Kinder später einmal fragen. Festschrift 150 Jahre EFG Kassel-Möncheberg, 1997, S. 66 (Evangelisation in Kassel mit Max Slawinsky im November 1938); Diabo&Lüllau, „Hoffentlich enttäuscht uns Hitler nicht“. Briefe, Bilder, Berichte einer Predigerfamilie 1925-1960, hg. v. Uwe A. Gieske, Berlin 1999, S. 81;
Astrid Giebel, Diakonie (Baptismus-Studien Bd. 1), Kassel 2000, S. 168 A.7; Vor 60 Jahren ermordet: „Unerschrockener Christusbekenner“. Bund würdigt früheren Theologie-Dozenten Dr. Slawinsky (Slawinsky-Gedenkfeier am 9.12.2000 in Hamburg-Rahlstedt), in: Die Gemeinde 2001, Nr.1, S. 11 (bisher unveröffentlichte Vorträge von Reinhard Assmann, Ronald Hentschel, Hans Volker Sadlack, Dr. William Yoder und Hartmut Wahl); Ulf Beiderbeck, Frei und geborgen (Baptismus-Studien 3), Kassel 2002, S. 56.207; Manfred Bärenfänger, Der Baptismus in Pommern, in: Freikirchenforschung 12/2002, S. (169-188) 179.184.185-188; Zwischen Himmel und Erde. Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde München (Baptisten), hg. von Andrea und Kim Strübind, 2002, S. 106; Hans Volker Sadlack, Art. Slawinsky, Max, Dr. phil., in: Harald Schultze u.a. (Hg), “Ihr Ende schaut an.” Ev. Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Leipzig 2. u. erweiterte Aufl. 2008, S. 471f; Bernard Green, European Baptists and the Third Reich, Baptist Historical Society 2008, p. 62.242 (270 S.); Michael Ackermann, Baptismus und NS-Staat in Deutschland und in der Oncken-Gemeinde 1933-45, in: D. Lütz (Hg), „Die Bibel hat die Schuld daran“. Festschrift zum 175. Jubiläum der Oncken-Gemeinde in Hamburg 2009, S. (353-368) 363;
Tobias Braatz, Bachelor-Hausarbeit über völkisches Gedankengut bei Max Slawinsky, THS Elstal 2010; Hans-Joachim Leisten, Wie alle andern auch. Baptistengemeinden im Dritten Reich im Spiegel ihrer Festschriften, Hamburg 2010, S. 38.123.131f; Marcel Kabaum, Milieutheorie deutscher Pädagogen (1926-1933). Pädagogische Soziologie bei Walter Popp, Adolf Busemann und Max Slawinsky, Würzburg 2013 (112 S.), bes. S. 22.69ff; Jörg Swoboda, Täufertum und Gemeindeverständnis - Wirkungen und Ausblicke, in: ders. (Hg), … ließen sich taufen. Freikirchliche Orientierung für den Weg der Gemeinde, Buckow 2013, S. (68-123) 117.127; Roland Fleischer, Streit (Baptismus-Dokumentation 4), Elstal 2014, S. 11, A.14; Volker Spangenberg, „Christen sollen Beter sein, Baptisten aber ganz besonders“. Anmerkungen zur Gebetskultur im deutschen Baptismus, in: J. Hafner/J. Enxing/A. Munzinger (Hg), Gebetslogik. Reflexionen aus interkonfessioneller Perspektive (Beihefte zur Ökumenischen Rundschau 103), Leipzig 2016, S. (118-139) 134;
Volker Spangenberg, Das „Stiefkind unseres Gemeindelebens“? Zur Abendmahlsfeier im deutschen Baptismus, in: ThGespr 2021, Heft 3, S. (107-127) 118f; Imanuel Baumann, Loyalitätsfragen. Glaubensgemeinschaften der täuferischen Tradition in den staatlichen Neugründungsphasen des 20. Jahrhunderts (Kirche-Konfession-Religion Bd. 78), Göttingen 2021, S. 167.
Bildnachweis: Reinhard Slawinsky, 2000 / Oncken-Archiv Elstal / Grab: Roland Fleischer, 2013